Geschichte

Zwischen Kühen, Kirchen und Kurgästen

Jutta Olschewski

Das nachfolgende Porträt wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung des Sonntagsblattes für Bayern:

Im Dekanat Memmingen trifft der Protestantismus auf den Geist der Benediktiner und Jesuiten

Im Jahr 2000 entdeckten die Memminger einen Schatz wieder. In der Stadt, die für ihre pompösen "Wallensteinspiele" bekannt ist, waren die "Bauernartikel", 1525 in Memmingen verfasst, etwas in den Hintergrund geraten. Bundespräsident Johannes Rau gab mit seinem Besuch der Jubiläumsfeier für die Freiheitsschrift besonderes Gewicht. Er nannte das "Grundgesetz ein Echo der Bauernartikel".

Nach St. Martin in Memmingen, wo einst der Bauernartikel-Autor Christoph Schappeler auf der Kanzel stand, pilgerten in den vergangenen Jahren immer mehr Touristen. Das mag daran liegen, dass die St. Martins-Kirche im Reiseführer "Guide Michelin" als lohnenswerter Abstecher erwähnt wird. Freunde der Kirchenmusik zieht in der gotischen Kirche aber auch die 1999 eingeweihte "Goll-Orgel" in ihren Bann. Das außerordentliche Instrument mit 62 Registern und vier Manualen hat bereits den Pariser Komponisten Naji S. Hakim zu einem Werk inspiriert.

Die Kirche "Unser Frauen" in Memmingen mit ihren Fresken von Bernhard Strigel, das bekannte Sieben-Dächer-Haus, ein ehemaliges Gerberhaus, das Haus der Kramerzunft, das Antonier-Haus und noch einige Wahrzeichen mehr lassen einen Stadtbesuch zu einem abwechslungsreichen Tag werden. Wer sich vom Geschichtsträchtigen erholen will, braucht nur in das Gelände der Landesgartenschau zu wandern.

Dass es in der Gegend um Memmingen, das mit seinen überdimensionalen Bauernhöfen und den meisten Milchkühen Deutschlands schon echten Allgäuer Charme hat, evangelische Dörfer gibt, wird den Besucher aus Franken verwundern.

Da wäre zum Beispiel Woringen, das von sich behauptet, das südlichste evangelische Dorf Bayerns zu sein. In seiner 500 Jahre alten Martins-Kirche sind ebenfalls Reste von Fresken des Malers Bernhard Strigel erhalten.

In Steinheim und Memmingerberg vor den Toren der Freien Reichsstadt war schon früh der reformatorische Glaube eingeführt worden, ebenso in Lauben, Dickenreishausen und Volkratshofen. Dort und in den ehemaligen "Reichsdörfern" Frickenhausen und Arlesried kann man sich heute noch glücklich schätzen, dass Gelder aus 600 Jahre alten Stiftungen fließen, wenn die schmucken Kirchen eine Renovierung nötig haben.

Voller Spannungen ist in den Jahrhunderten in der Region der Kampf zwischen den Konfessionen gewesen. Einen Eindruck hiervon vermittelt das Grab für einen katholischen Pfarrer in der Kirche in Erkheim. Johann Dettighofer hatte um 1660 eifrig für die Wiedereinführung der katholischen Lehre gekämpft und muss heute in einem protestantischen Gotteshaus liegen.

Drei Kilometer westlich von Memmingen - wir kehren auf katholische Spuren zurück - ist das ehemalige Kartäuserkloster von Buxheim ein lohnendes Ziel. Drei Kirchen prägen den Ort, die alle von den berühmten Bauherren der Wieskirche, den Gebrüdern Zimmermann, barockisiert worden sind. Auf den Spuren der Benediktiner lässt es sich im nahen Ottobeuren wandeln.

Fest in der Hand der Jesuiten war einst Mindelheim. Die "Frundsberg-Stadt" liegt westlich des Kohlbergs wie hinter einer unsichtbaren Grenze in einer Art Subregion des Dekanats Memmingen. Eine typisch schwäbische Diaspora-Gemeinde könnte man Mindelheim nennen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Zuwachs bekam durch Flüchtlinge, Vertriebene und Patienten von Lazaretten. Evangelische Kurgäste gab es im benachbarten Bad Wörishofen bereits. Aber auch in dem weltberühmten Kurort Sebastian Kneipps wuchs die Gemeinde mit den Heimatvertriebenen an. Die Wörishofener Gemeinde tut sich mit einem sehr anspruchsvollen Kirchenmusikprogramm hervor. Ein Freizeit- und Erlebnisbad hat 2004 seine Pforten geöffnet.

Eine "Subregion" des Dekanats Memmingen könnte man auch die Orte Türkheim und Buchloe nennen, deren Gemeindehäuser besonders in den vergangenen zehn Jahren zu eng geworden waren und einen Umbau notwendig machten. Zu verdanken hat man das den jungen Familien, die hier relativ günstig ihr Eigenheim erwerben und mit guter Zugverbindung nach München pendeln.

Am Wochenende können sie sich auf ihr Radl schwingen, die sanften Hügel der Gegend hinauf strampeln oder an Günz, Iller, Mindel und Wertach die Natur entdecken.

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